Zur absurden Darstellung, dass Datenschutz unsere Freiheit bedroht!
In seinem Blog-Eintrag „Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit“ greift der Autor einleitend die Wechselwirkung zwischen Sicherheitsmaßnahmen eines Staates und der damit einhergehenden Beschränkung der individuellen Freiheit der Bürger auf. Diese Balance ist in der Tat seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 weltweit aus der Balance geraten und ich teile ganz ausdrücklich die Ansicht vieler kritischer Stimmen, die vor den abgeleiteten „Sicherheits-Maßnahmen“ in und außerhalb Deutschlands als Gefahr für unsere Demokratie warnen.
Der Autor stellt aber anschließend in den Raum, dass Datenschutz eine der Komponenten wäre die die Freiheit einschränkt – wie abstrus und verquer muss man eigentlich denken um diesen Rückschluss zu ziehen?
Das Gegenteil ist der Fall, denn Datenschützer haben im Kern ein einziges Ziel – den Schutz der persönlichen Daten eines jeden Individuums und damit seine persönliche Freiheit. Oder haben Sie, um nur ein plakatives Beispiel zu nennen, schon ein einziges Mal einen Datenschützer nach Videoüberwachung rufen hören?
Der Autor meint, so interpretiere ich es wenigstens zu seinen Gunsten, nicht die staatlichen Überwachungs-Maßnahmen, sondern die von Datenschützern eben auch beklagten Maßnahmen von Unternehmen und Konzernen. Diese werden von Datenschützern und Informatikern als Tracking mit Profilbildung bezeichnet, und sind die Grundlage für Filterblasen!
Angesichts der Euphorie die aus den vielfältigen Möglichkeiten der „neuen“ Medien resultieren, verlieren viele Nutzer die Gefahren (fast) komplett aus den Augen, oder verschließen diese krampfhaft weil sie auf die „Vorteile“ nicht (mehr) verzichten wollen. Im Falle von Lehrkräften, aber insbesondere auch bei pädagogischen Führungskräften, ist das meiner Meinung nach aber besonders fatal. Während hier die althergebrachten „Gefahren“, z.B. bei einem Schulausflug, beim Schulsport, … offensichtlich sind und berücksichtigt werden, sind sie in der digitalen Welt außerhalb der eigenen Erfahrung und dem eigenen Wissen der Lehrkräfte. Die technischen Hintergründe sind den meisten Personen zu komplex und werden auch deshalb hintangestellt. Trotzdem sind die mit Tracking & Profilbildung einhergehenden Manipulationen der Nutzer in verschiedener Form in der digitalen Welt omnipräsent und die wenigsten Lehrkräfte sind sich dessen bewusst. Die Gefährdung, dass Lernende damit in digitale Schubladen gesteckt werden, ihre Informationen von Maschinen vorgefiltert werden, eine freie Meinungsbildung be- oder verhindert ist, wird übersehen, negiert, vernachlässigt, ignoriert.
Besagter Blog-Beitrag ist ein gutes Beispiel. Statt sich medienpädagogisch ernsthaft mit den sicher unstrittigen Gefahren zu beschäftigen, Lösungen bzw. Alternativen zu suchen, wird als Ausweg aus dem Dilemma und zur Rechtfertigung der eigenen Euphorie das leidige Datenschutz-Bashing betrieben. Der Datenschutz verhindert somit angeblich
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die freie und offene Nutzung des Internets,
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das damit verbundene Potenzial der kulturellen Teilhabe,
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die Überwindung bestehender Hierarchien,
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oder sogar die Demokratisierung.
Wenn man versucht Datenschutz umzusetzen, die Lernenden also auch in der digitalen Welt auf Gefahren / Manipulationen aufmerksam zu machen, mit gutem Beispiel vorangeht, können junge Menschen angeblich nicht mehr befähigt werden, sich mündig und souverän in der Gesellschaft zurecht zu finden und sie mitzugestalten!?
Mitnichten! Genau das Gegenteil ist der Fall. Man könnte in der Schule sogar mehr als die obigen Punkte erreichen, aber eben nicht mit Werkzeugen die im Bereich persönlicher Daten entweder schlampig arbeiten, oder die Weitergabe / die Weiterverarbeitung der persönlichen Daten gezielt als Geschäftsmodell haben und sich dann leider allzu häufig manipulativ auswirken!
Was zu tun wäre, ist ein eigenes Thema das hier den Rahmen erst mal sprengen würde. Aber es sei so viel gesagt: Das ist möglich! Allerdings nur wenn man in seiner Profession das Verhalten anpasst, alternative Dienste nutzt, … und vor allem selbst ernsthaft Respekt beim Umgang mit den Daten anderer Menschen hat die einem nur aus dienstlichen Gründen zur Verfügung stehen. Lehrkräfte, bzw. Schule ganz allgemein, haben für unsere Heranwachsenden eine besondere Verantwortung, und werden der, aus reiner Bequemlichkeit, oder aus Kostengründen, allzu oft nicht gerecht.
Um die Daten aller an Schule beteiligten Personen in diesem positiven, freiheitlichen Sinn zu schützen, sind natürlich veränderte Verhaltensweisen in der digitalen Welt, sowie passende Internet-Dienste nötig. Und ja, die stammen im Normalfall nicht aus dem „Alltag der Beteiligten„. Und richtig, sie sind nicht aus der sogenannten „Lebenswirklichkeit“ und dem „täglichen Erfahrungsbereich“ der Beteiligten. Aber ist Schule nicht eine der Institutionen unserer Gesellschaft in denen auch Neues gelehrt und gelernt werden soll? Gilt das für die digitale Welt nicht?
Ich wurde irgendwann einmal Lehrer – einfach weil ich der tiefen Überzeugung bin, dass in der Schule nicht nur Schülerinnen und Schüler Neues lernen können und sollen. Die setzt Lehrerinnen und Lehrer voraus die im Vorfeld ebenfalls dazu bereit sind, und da das im Studium / Referendariat kein Thema war, muss das eben berufsbegleitend und lebenslang stattfinden. Dies setzt Lehrkräfte voraus die sich auf Basis ihrer gesellschaftlichen Rolle und Verantwortung auch auf Verfahren einlassen, die nicht aus ihrem Privatbereich entstammen sondern eine professionellere Ebene haben und für alle Beteiligten zu einer Weiterentwicklung beitragen. Und sofern die notwendigen Mittel u. Verfahren durch Sachaufwandsträger, durch Schulverwaltung, durch Fortbildung, … nicht abgebildet werden, muss an dieser Stelle der Hebel angesetzt werden.
Eines hilft bei all dem auf jeden Fall definitiv nicht, trägt nicht zur eigenen Professionalität und nicht zu professioneller Bildung in einer digitalisierten Welt bei, und das ist derart unsägliches und nicht reflektiertes Datenschutz-Bashing, auch wenn das in diversen Kreisen gerade Mainstream ist, aus welchen unausgesprochenen und verborgenen Gründen auch immer.
Noch eine persönliche Anmerkung zum Schluss: Der Bezug des Blog-Artikels auf die französischen Sicherheitsmaßnahmen seit dem Anschlag auf Charlie Hebdo, angesichts des drei Tage zuvor stattgefunden Terroranschlags in Trèbes (Südfrankreich) mit vier Toten, ist nach meiner Empfindung leider total daneben und im Kern abstoßend. Der Autor hat meines Erachtens nach das Thema incl. Grafik nicht verstanden oder bedient sich hier billigster Effekthascherei.