„Freie Fahrt für freie Bürger“ …

… diese Phrase, garniert mit dem Satz …

Der Rest geht jede andere Person/Institution einen … an.

… las ich jüngst ziemlich fassungslos in der Antwort zu einer Besuchs- bzw. Kontaktanfrage bzgl. der Corona-Pandemie. Der „platte Slogan“ , diese „Stammtisch Formel“ , wie es der ZEIT-Autor Heinz Blüthmann in seinem Artikel „Im Namen des Volkes“ schon 1991 formulierte, begleitet mich schon viele Jahre meines Lebens. Da ich diese Phrase schon immer unglaublich vereinfachend und von grenzenlosem Egoismus geprägt empfand, machte ich mich dieses Mal auf die Suche nach dem Urheber, der Quelle, dieser irreführenden Verharmlosung und ignoranten Forderung.

Ihren Ursprung hat die Phrase offenbar 1974 im Rahmen einer ADAC-Kampagne gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Während die Kampagne ja bekanntlich bis zum heutigen Tag ein Tempolimit in Deutschland verhindert hat, gab es offenbar schon damals genügend Bürger:innen die von so viel Plattheit und Vereinfachung einer komplexen Materie die Nase voll hatten und aus dem ADAC austraten.

Während zwischenzeitlich die Front gegen ein Tempolimit zunehmend porös wird, machen sich aber offenbar Corona-Verharmloser und -Leugner diesen Slogan gedanklich zu eigen (übrigens in spannendem Einklang mit anderen „interessanten“ Gruppierungen). Obwohl man selbstverständlich über die Einschränkungen der Grundrechte im Rahmen der Corona-Pandemie diskutieren muss, konstant die Gefahren der Pandemie sorgfältig gegen diese Einschränkungen abwägen muss, verliert zumindest dieser Slogan gleichzeitig nichts an seiner intellektuellen Einfältigkeit. Der Slogan und seine Benutzer ignorieren, dass man ihn nur deshalb überhaupt noch nutzen kann weil wir vorsichtig waren, weil wir einen Lockdown hatten. Nur deshalb konnte die Zahl der Infizierten, Schwerstkranken und der Toten in Deutschland bisher eingedämmt werden. Die Floskel und ihre Benutzer offenbaren zudem einen grenzenlosen Egoismus, der die möglichen Folgen ihres Handelns komplett ausblendet. Die in Anspruch genommene „freie Fahrt“ der sogenannten „freien Bürger“ kann nämlich auch zu der befürchteten 2. Erkrankungswelle führen.

Dieses Szenario muss natürlich nicht zwingend eintreten. Trotzdem drängt sich das Bild des Vogel Strauß, der sprichwörtlich den Kopf in den Sand steckt gerade zu auf. Während Millionen von Bürger:innen versuchen die Vorsichtsmaßnahmen zu berücksichtigen, rein aus Vorsicht wie das Wort schon sagt, aus Rücksichtnahme auf die Gesellschaft, klatschen diese „freiheitsliebenden Mitbürger“ , ohne jegliche Reflektion ihres eigenen Handelns, die schon 1974 hohle Phrase „Freie Fahrt für freie Bürger“ der Gesellschaft höhnisch um die Ohren. Ohne Diskussion, und unter Ignoranz ihrer individuellen Verantwortung, rauben Sie damit notfalls Familien ihre Angehörigen, nehmen deren gesundheitliche Schädigung in Kauf, und tragen zu Spaltung der Gesellschaft und Familien bei.

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